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Urteil Versicherungsgericht (SG - BV 2016/24)

Zusammenfassung des Urteils BV 2016/24: Versicherungsgericht

Die Stiftung FAR hat gegen die B. GmbH Klage eingereicht, um ausstehende Beiträge und Konventionalstrafen einzufordern. Die Beklagte wurde dazu verpflichtet, für bestimmte Jahre Beiträge nebst Verzugszinsen zu zahlen. Zudem wurde ihr eine Konventionalstrafe von Fr. 20'000.-- auferlegt. Der Richter in diesem Fall war Miriam Lendfers, und die Gerichtskosten betrugen CHF 500.--. Die Beklagte, die B. GmbH, ist eine weibliche Person (firma) und hat den Prozess verloren.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts BV 2016/24

Kanton:SG
Fallnummer:BV 2016/24
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:BV - berufliche Vorsorge
Versicherungsgericht Entscheid BV 2016/24 vom 10.08.2018 (SG)
Datum:10.08.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:EntscheidEntscheid vom 10. August 2018
Schlagwörter: Stiftung; Konventionalstrafe; Höhe; Beitragsforderung; Beiträge; Verfahren; Beitragsforderungen; Verfahrenskosten; Lohnsumme; Beklagten; Verzugszins; Klage; Verjährung; Recht; Verzugszinsen; Gericht; FAR-Beiträge; Entscheid; Zuständigkeit; Fälligkeit; Forderung; Urteil; Sanktion; Geltungsbereich; Unterstellung; Versicherungsgericht; ässig
Rechtsnorm: Art. 130 OR ;Art. 132 OR ;Art. 41 BV ;Art. 52 BV ;Art. 73 BV ;Art. 8 ZGB ;Art. 97 OR ;
Referenz BGE:117 V 285; 117 V 33; 118 II 528; 124 III 478; 128 V 323; 130 III 297; 134 III 11; 136 V 73; 139 III 165;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts BV 2016/24

Besetzung

Versicherungsrichterin Miriam Lendfers (Vorsitz), Versicherungsrichter Joachim Huber und Versicherungsrichterin Marie Löhrer;

Gerichtsschreiberin Annina Janett Geschäftsnr.

BV 2016/24

Parteien Stiftung FAR, Klägerin, gegen

B. GmbH,

Beklagte,

Gegenstand

FAR-Beiträge (Konventionalstrafe und Verfahrenskosten) Sachverhalt

A.

    1. Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV), die GBI Gewerkschaft Bau & Industrie (heute Gewerkschaft Unia) sowie die Gewerkschaft SYNA schlossen am 12. November 2002 einen Gesamtarbeitsvertrag für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR, act. G 1.2). Für die gemeinsame Durchführung des GAV FAR gründeten die Vertragsparteien die Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung FAR; act. G 1.1, 1.3). Mit Bundesratsbeschluss vom 5. Juni 2003 wurde der GAV FAR teilweise allgemeinverbindlich erklärt (act. G 1.10).

    2. Mit Entscheid vom 6. Mai 2014 unterstellte die paritätische Berufskommission für das Bauhauptgewerbe C. die B. GmbH vollumfänglich dem Landesmantelvertrag für das schweizerische Bauhauptgewerbe (LMV; act. G 1.4). In der Folge forderte die Stiftung FAR die B. GmbH zur Einreichung der Selbstdeklaration auf (vgl. act. G 1.5). Nachdem diese in den entsprechenden Deklarationsformularen vom 30. März 2015 angegeben hatte, dass sie zu 100% im Bereich Betonschalungen tätig sei, entschied die Geschäftsstelle der Stiftung FAR am

      24. April 2015, dass die Unternehmung unter den räumlichen und den betrieblichen Geltungsbereich des Bundesratsbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung des GAV FAR (BRB AVE GAV FAR) falle. Sie sei somit für Mitarbeiter, die unter den persönlichen Geltungsbereich fielen, seit der Gründung am 5. Juni 2008 FAR- beitragspflichtig (act. G 1.6).

    3. Gegen diesen Entscheid erhob die B. GmbH am 27. April 2015 Einsprache und bestritt die Berechtigung zur rückwirkenden Einforderung der FAR-Beiträge. Sie machte geltend, niemand habe sie darauf hingewiesen, dass sie zur Bezahlung von Prämien aufgrund der Lohnsumme verpflichtet sei (act. G 1.7). Daraufhin überwies die

Stiftung FAR die Angelegenheit ihrem Stiftungsratsausschuss Rekurse. Dieser eröffnete der B. GmbH im Entscheid vom 1. Juli 2015, dass sie unter den räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich des BRB AVE GAV FAR falle und folglich verpflichtet sei, für alle Arbeitnehmer, die unter den persönlichen Geltungsbereich fallen, ab dem 5. Juni 2008 FAR-Beiträge zuzüglich Verzugszinsen abzurechnen. Zudem werde gegen die B. GmbH eine Konventionalstrafe in der Höhe von Fr. 20‘000.-- ausgesprochen und ihr würden die Verfahrenskosten von Fr. 500.-- auferlegt (act. G 1.8). In der Folge reichte die B. GmbH die Lohnsummenmeldungen für die Jahre 2008 bis 2014 nach (vgl. act. G 1.9).

B.

    1. Mit Eingabe vom 23. Dezember 2016 erhob die Stiftung FAR gegen die B. GmbH Klage mit den Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr die folgenden Beiträge zu bezahlen: Fr. 1‘625.60 für das Jahr 2009 nebst 5% Zins ab 1. Januar 2010, Fr. 9‘456.75 für das Jahr 2010 nebst 5% Zins ab 1. Januar 2011, Fr.

      8‘239.60 für das Jahr 2011 nebst 5% Zins ab 1. Januar 2012, Fr. 4‘596.80 für das Jahr

      2012 nebst 5% Zins ab 1. Januar 2013, Fr. 2‘424.80 für das Jahr 2013 nebst 5% Zins

      ab 1. Januar 2014 sowie Fr. 10‘983.98 für das Jahr 2014 nebst 5% Zins ab 1. Januar 2015. Zudem sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Konventionalstrafe von Fr. 20‘000.-- sowie Verfahrenskosten von Fr. 500.-- zu bezahlen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten (act. G 1).

    2. Mit Eingabe vom 30. Januar 2017 beantragte die Beklagte sinngemäss die Abweisung der Klage und machte geltend, sie sei mit Entscheid der PKB SG am 6. Mai 2014 dem LMV unterstellt worden und akzeptiere ab diesem Datum alle Beitragsverpflichtungen. Forderungen vor diesem Datum, Bussen sowie Verfahrenskosten betrachte sie als unbegründet (act. G 3).

    3. Mit Replik vom 6. Juni 2017 hielt die Klägerin an den in der Klage gestellten Anträgen vollumfänglich fest und reichte eine Verjährungsverzichtserklärung der Beklagten vom 15. September 2015 ein (act. G 11).

    4. Mit Duplik vom 25. Juli 2017 anerkannte die Beklagte die eingeklagten Beiträge in der Höhe von Fr. 4‘033.67 für das Jahr 2010, Fr. 8‘733.98 für das Jahr 2011, Fr. 4‘596.80 für das Jahr 2012, Fr. 2‘424.80 für das Jahr 2013 sowie Fr. 10‘983.98 für das Jahr 2014. Die darüber hinausgehende Forderung der Klägerin sei abzuweisen. Hinsichtlich der nicht anerkannten FAR-Beitragsforderungen der Jahre 2009 und der Monate Januar bis Juni 2010 machte die Beklagte die Verjährung geltend. Sie reichte die Lohnabrechnung FAR vom Juli 2010 bis Dezember 2017 zu den Akten (act. G 15).

    5. Mit Stellungnahme vom 29. August 2017 nahm die Klägerin die teilweise Anerkennung der Klage zur Kenntnis. Zudem korrigierte sie ihr Rechtsbegehren dahingehend, dass für das Jahr 2011 FAR-Beiträge in der von der Beklagten berechneten Höhe von Fr. 8‘733.98 nebst 5% Zins ab 1. Januar gefordert würden. Darüber hinaus hielt sie vollumfänglich an ihren Rechtsbegehren fest (act. G 17).

Erwägungen

1.

Zwischen den Parteien umstritten und nachfolgend zu prüfen sind einerseits die von der Klägerin geforderten FAR-Beiträge, soweit sie von der Beklagten nicht anerkannt wurden, zuzüglich Verzugszinsen, sowie andererseits die Auferlegung einer Konventionalstrafe von Fr. 20‘000.-- und von internen Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 500.--. Zu Recht unbestritten ist die Unterstellung der Beklagten unter den BRB AVE GAV FAR.

2.

    1. Bei der Klägerin handelt es sich um eine nicht registrierte, ausschliesslich in der freiwilligen beruflichen Vorsorge tätige Personalfürsorgestiftung im Sinne von Art. 89a des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210; ursprünglich Art. 89bis). Die Rechtspflegebestimmung von Art. 73 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) gelten daher für die Klägerin (vgl. die in BGE 139 III 165 nicht publizierte E.2.1 des Urteils vom 15. April 2013, 9C_975/2012/9C_976/2012 sowie Urteil des Bundesgerichts vom 7. Mai 2008, 9C_211/2008, E. 3.2, je mit Hinweisen).

    2. Da die Beklagte ihren Sitz im Zeitpunkt der Klageanhebung in Sargans hatte, ist

das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen örtlich zuständig (Art. 73 Abs. 3 BVG).

2.3

      1. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit des Versicherungsgerichtes (vgl. Art. 73 Abs. 1 BVG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 lit. ebis des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRP; sGS 951.1]) ist festzuhalten, dass die Frage, ob ein bestimmtes Unternehmen einem allgemeinverbindlich erklärten GAV untersteht, im Streitfall grundsätzlich durch die Ziviljustiz zu beurteilen ist (BGE 134 III 11; Urteile 4C. 191/2006 vom 17. August 2006 E. 1.1, 4C.391/2001 vom 30. April 2002 E. 1.2).

        Dasselbe gilt für Ansprüche aus einem solchen GAV, namentlich auch für die Frage, ob und wie weit Kontrollbefugnisse der aufgrund eines allgemeinverbindlich erklärten GAV eingesetzten paritätischen Kontrollorgane bestehen (BGE 118 II 528 E. 2a S. 530 f.; Urteil 4C.60/2007 vom 28. Juni 2006 E. 1.2.2; anders die Einsetzung des Kontrollorgans gemäss Art. 6 AVEG, BGE 124 III 478). Indessen ist das in der Hauptsache zuständige Gericht vorbehältlich anderslautender spezialgesetzlicher Regelung zuständig, vorfrageweise auch die für die Beantwortung der Hauptsache erforderlichen Streitfragen aus einem anderen Rechtsgebiet zu beantworten, auch wenn dafür bei isolierter Betrachtung andere Behörden Gerichte zuständig wären, soweit diese an sich zuständigen Behörden noch keinen entsprechenden Entscheid gefällt haben (BGE 130 III 297 E. 3.3 S. 299 f., 128 II 386 E. 2.2 S. 390, 128 V 254 E. 3

        S. 262). Das gilt auch für die nach Art. 73 BVG zuständigen Gerichte. Diese haben vorfrageweise die zivilrechtlichen Fragen zu beantworten, von denen der Ausgang des berufsvorsorgerechtlichen Streits abhängt.

      2. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Beitragsforderungen und der Verzugszinsen wurde die sachliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichtes zu Recht nicht bestritten (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 7. Mai 2008, 9C_211/2008, E. 3.2).

      3. Bestritten wird die sachliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichtes in Bezug auf die eingeklagte Bezahlung der Konventionalstrafe und der internen Verfahrenskosten (vgl. insb. act. G 15 Ziff. 3 f., vgl. auch act. G 17 Ziff. 3 f.). Die

Beurteilung von sekundären Ersatzansprüchen, d.h. von Ersatzforderungen aus Nicht- Schlechterfüllung eines Anschlussvertrages, oblag nach bisheriger Rechtsprechung der Ziviljustiz. Diese Kompetenzzuweisung erfolgte ursprünglich mit Blick auf den Umstand, dass der mit dem Schadenersatzanspruch verwandte Verantwortlichkeitsanspruch nach Art. 52 BVG nicht in die Zuständigkeit des BVG- Gerichtes, sondern in jene der Ziviljustiz fiel (vgl. BGE 117 V 33 E. 3d). Seit der am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Gesetzesrevision sind für die Beurteilung von Verantwortlichkeitsansprüchen die Berufsvorsorgegerichte zuständig. Der früher zur Begründung einer Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit verwendete Harmonisierungsgedanke spricht dafür, die Beurteilung von Ersatzforderungen aus einer Verletzung des Anschlussvertrages zwischen Arbeitgeber und Vorsorgeeinrichtung ebenfalls in die berufsvorsorgegerichtliche Zuständigkeit fallen zu lassen. Dafür spricht überdies, dass auch im Bereich der auf Art. 97 ff. OR gestützten Ansprüche aus Nicht- Schlechterfüllung des Vorsorgevertrags die Zuständigkeit der Gerichte nach Art. 73 BVG bejaht wird (vgl. ausführlich BGE 136 V 73 E. 5.3 mit zahlreichen Hinweisen). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass gemäss der aktuellen bundesgerichtlichen Praxis aufgrund des direkten Sachbezugs die Berufsvorsorgegerichte nach Art. 73 BVG sachlich zuständig sind, wenn ein Schadenersatzanspruch aus Verletzung anschlussvertraglicher Pflichten in Frage steht, die spezifisch berufsvorsorgerechtlicher Natur sind. Mit Blick auf die dargelegte überzeugende bundesgerichtliche Rechtsprechung fällt die vorliegend geltend gemachte Konventionalstrafe somit in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des Versicherungsgerichtes.

2.4 Auf die Klage ist vollumfänglich einzutreten. 3.

    1. Zunächst sind die von der Klägerin geltend gemachten Beitragsforderungen einschliesslich der Verzugszinsen zu prüfen. Die Beklagte hat die Beitragsforderungen für die zweite Hälfte des Jahres 2010 (Juli bis Dezember) sowie für die Jahre 2011 bis 2014 im Betrag von Fr. 30‘773.23 (Fr. 4‘033.67 + Fr. 8‘733.98 + Fr. 4‘596.90 + Fr.

      2‘424.80 + Fr. 10‘983.98) anerkannt (act. G 15 Ziff. 1, 6). Die Klageanerkennung bringt

      das Verfahren unmittelbar zum Abschluss bzw. es kommt ihr die Wirkung eines

      rechtskräftigen Entscheids zu, weshalb das Gericht das Verfahren im Umfang der Anerkennung abschreibt (vgl. diesbezüglich den Entscheid des Versicherungsgerichtes vom 15. Mai 2018, BV 2018/3 mit weiteren Hinweisen). Von der vorliegenden Anerkennung wird Vormerk genommen. Strittig bleiben die Beitragsforderungen für das Jahr 2009 und für die erste Hälfte des Jahres 2010 (Januar bis Juni) sowie sämtliche Verzugszinsen.

    2. Zu prüfen ist, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die Beitragsforderungen

      verjährt sind.

      1. Forderungen auf periodische Beiträge und Leistungen verjähren nach fünf Jahren (Art. 129-142 des Obligationenrechts [OR; SR 220] sind anwendbar; Art. 41 Abs. 2 BVG i.V.m. Art. 89a Abs. 6 Ziff. 5 ZGB). Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit der Forderung (Art. 130 Abs. 1 OR). Bei der Berechnung der Frist ist der Tag, von dem an die Verjährung läuft, nicht mitzurechnen und die Verjährung erst dann als beendigt zu betrachten, wenn der letzte Tag unbenützt verstrichen ist (Art. 132 Abs. 1 OR; vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts vom 17. Oktober 2016, 9C_392/2016, E. 3.2.1 mit Hinweisen).

      2. Die Beklagte hat am 15. September 2015 bezüglich sämtlicher umstrittener Beitragsforderungen seit 1. Juli 2003, jeweils nebst Zinsen, auf die Einrede der Verjährung bis am 31. Dezember 2016 verzichtet, soweit diese nicht bereits eingetreten ist. Deshalb und da am 23. Dezember 2016 eine verjährungsunterbrechende Klage (Art. 135 Ziff. 2 OR) erhoben wurde, fällt eine Verjährung von Beitragsforderungen nur in Betracht, wenn sie spätestens fünf Jahre vor dem Verjährungsverzicht, mithin am 15. September 2010 fällig wurden.

      3. Grundsätzlich kann auch eine dem Gläubiger unbekannte Forderung fällig werden. In Abweichung von dieser Regel erfolgt bei qualifizierter Meldepflichtverletzung im Sinne einer unentschuldbaren Unterlassung des Schuldners ein Aufschub der Fälligkeit der einzelnen periodischen Beitragsforderung bis zu dem Zeitpunkt, in welchem die Beitragsgläubigerin davon anrechenbare Kenntnis erlangt. Von einer solchen grobfahrlässigen Verletzung der sich unmittelbar aus einem allgemeinverbindlichen Vertrag mit Gesetzescharakter ergebenden Verpflichtung zur

        Anmeldung und Bezahlung von Beiträgen an die Stiftung FAR ist etwa dann auszugehen, wenn sich ein dem GAV FAR unterstellter Arbeitgeber nicht selber bei der Stiftung FAR anmeldet. Unter diesen Umständen beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist erst mit der (zumut- bzw. anrechenbaren) Kenntnis der Stiftung von ihrer Beitragsforderung gegenüber dem betroffenen Arbeitgeber zu laufen (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Oktober 2016, 9C_392/2016, E. 3.2.2 mit Hinweisen). Die einzelnen Beitragsforderungen verjähren auch bei Bejahung einer qualifizierten Meldepflichtverletzung und andauernd unverschuldet fehlender Kenntnis der Vorsorgeeinrichtung über den Beitragstatbestand jedenfalls zehn Jahre nach ihrem (virtuellen) Entstehen. Da die Fälligkeit bis zur Kenntnisnahme aufgeschoben ist, können von vornherein nur Beitragsforderungen nachgefordert werden, die zu diesem Termin nicht älter als zehn Jahre sind. Weiter zurückliegende Beitragsforderungen sind bereits (absolut) verjährt, so dass mit Bezug auf sie keine (relative) Verjährungsfrist mehr beginnen kann (BGE 136 V 73 E. 4.3).

      4. Vorliegend ist aktenkundig, dass sich die Beklagte nicht selbst bei der Klägerin angemeldet hat. Hierbei beruft sie sich auf eine falsche telefonische Auskunft der Klägerin. Sie macht insbesondere geltend, die Klägerin habe ihr im Rahmen ihrer Abklärung telefonisch mitgeteilt, dass sie nicht dem GAV unterstellt sei (act. G 15 Ziff. 5). Rechtsprechungsgemäss stellen formlos eingeholte (oder lediglich in einer Aktennotiz festgehaltene) mündliche bzw. telefonische Auskünfte zu wesentlichen Umständen des rechtserheblichen Sachverhalts kein zulässiges und taugliches Beweismittel dar. Dies wird damit begründet, dass nicht überprüfbar ist, welche Fragen und Sachverhaltsa¬gaben einer Auskunftsperson unterbreitet worden sind (BGE 117 V 285 E. 4c). Dass die Beklagte damals die behauptete, unrichtige telefonische Auskunft erhalten hat, wird von der Klägerin bestritten (act. G 11 Ziff. 1) und lässt sich bei der vorliegenden Sach- bzw. Aktenlage nicht mehr rechtsgenüglich erhärten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass keine weiteren Akten eingeholt werden können, anhand derer diese Frage zuverlässig beantwortet werden könnte. Insbesondere sind auch von der beantragten Befragung des Geschäftsführers der Beklagten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine neuen, objektiven Erkenntnisse bezüglich des behaupteten Telefonates zu erwarten. Damit gelingt es der Beklagten nicht zu belegen, dass sie von der Klägerin eine falsche Auskunft bezüglich ihrer Unterstellung unter den

        GAV erhalten hatte. Es liegt diesbezüglich Beweislosigkeit vor, deren Nachteile nach der analog anzuwendenden Regel von Art. 8 ZGB die Beklagte zu tragen hat.

      5. Damit ist von einer qualifizierten Meldepflichtverletzung auszugehen, weshalb die von der Beklagten nicht anerkannten Beitragsforderungen des Jahres 2009 und der ersten Hälfte des Jahres 2010 (Januar bis Juni) noch nicht verjährt sind.

    1. Gemäss Art. 9 Abs. 3 BRB AVE GAV FAR stellt die Stiftung einen Verzugszins von 5% ab Fälligkeit in Rechnung. Der Arbeitgeber hat vierteljährlich Akontozahlungen abzuliefern, fällig 30 Tage nach der Rechnungsstellung, spätestens jedoch per Quartalsende (Art. 9 Abs. 2 BRB AVE GAV FAR). Entgegen der Sichtweise der Beklagten (act. G 15 Ziff. 7) ist für den Beginn der Verzugszinsen allein die Fälligkeit der Forderung massgebend, was sich aus der diesbezüglich eindeutigen Bestimmung von Art. 9 Abs. 3 BRB AVE GAV FAR ergibt. Die Fälligkeit nach Art. 9 Abs. 2 BRB AVE GAV FAR setzt keine Mahnung voraus. Deshalb richtet sich der Beginn der Fälligkeit allein nach dem objektiven Gesichtspunkt der in Art. 9 Abs. 2 BRB AVE GAV FAR definierten Fälligkeit und besteht unabhängig von der subjektiven Erkennbarkeit der Beitragspflicht durch die Beitragspflichtigen.

    2. Nach dem Gesagten ist die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die noch offenen bzw. nicht anerkannten FAR-Beiträge für den eingeklagten Zeitraum (Januar bis Dezember 2009 und Januar bis Juni 2010; act. G 1 Ziff. 1 und act. G 15 Ziff. 1 der Anträge) zuzüglich Verzugszinsen zu bezahlen. Zudem ist sie zu verpflichten, der Klägerin für die bereits anerkannten Beitragsforderungen der Jahre 2010 bis 2014 einen jeweiligen Verzugszins von 5% zu bezahlen (vgl. act. G 1, act. G 15, act. G 17). Dass die Klägerin die Verzugszinsen zugunsten der Beklagten nur per Anfang des Folgejahres und nicht gemäss Art. 9 Abs. 2 BRB AVE GAV FAR vierteljährlich einfordert, ist offenbar administrativ begründet und nicht zu beanstanden (vgl. auch act. G 1 Ziff. 24).

4.

    1. Zu prüfen bleibt, ob die Beklagte die von der Klägerin eingeforderte Konventionalstrafe über Fr. 20‘000.-- sowie die Verfahrenskosten von Fr. 500.-- zu bezahlen hat (vgl. act. G 1 Ziff. 2 der Anträge).

    2. Gemäss Art. 25 Abs. 1 GAV FAR können Verletzungen von Pflichten aus dem Vertrag durch den Stiftungsrat mit Konventionalstrafen von bis zu Fr. 50‘000.-- geahndet werden. Fehlbaren Parteien können auch die Kontroll- und Verfahrenskosten überbunden werden. Nach Abs. 2 können Vertragsverletzungen, die darin bestehen, dass keine ungenügende Beiträge abgerechnet wurden, mit einer Konventionalstrafe bis zur doppelten Höhe der fehlbaren Beträge geahndet werden. Die Höhe der Konventionalstrafe richtet sich im Einzelfall nach der Schwere des Verschuldens und der Grösse des Betriebes sowie allfällig früher ausgesprochener Sanktionen (Abs. 3).

    3. Eine Pflichtverletzung nach Art. 25 Abs. 1 GAV FAR begeht gemäss Ziff. 1.1 der vom Stiftungsrat erlassenen Richtlinie über die Sanktionen (act. G 1.11) u.a. derjenige Arbeitgeber, der unter den räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich des GAV FAR fällt und von der Stiftung FAR unentdeckt geblieben ist, und der es in grobfahrlässiger, eventualvorsätzlicher vorsätzlicher Weise unterlässt, sich bei der Stiftung FAR zwecks Unterstellung unter den GAV FAR zu melden, womit er sich der Pflicht zur Leistung von Beiträgen entzieht (Ziff. 1.1.1). Gemäss Ziff. 1.1.2 spricht der Ausschuss Rekurse bei einer solchen Verletzung der Pflicht zur Anmeldung und Unterstellung unter den GAV FAR eine Konventionalstrafe von bis zu Fr. 50‘000.-- aus. Die Höhe der Sanktion bestimmt sich dabei anhand der FAR-pflichtigen Lohnsumme. Liegen die Lohnsummen von mehreren Jahren vor, ist die höchste bekannte Lohnsumme massgebend. Bei einer FAR-pflichtigen Lohnsumme von bis zu Fr.100‘000.-- beträgt die Höhe der Sanktion Fr. 10‘000.--, bei einer Lohnsumme von Fr. 101‘000.-- bis Fr. 500‘000.-- ist eine Konventionalstrafe von Fr. 20‘000.-- zu bezahlen, bei einer Lohnsumme von Fr. 501‘000.-- bis Fr. 2‘000‘000.-- von Fr. 30‘000.--, bei einer Lohnsumme von Fr. 2‘000‘001.-- bis Fr. 10‘000‘000.-- von Fr. 40‘000.-- und bei einer Lohnsumme ab Fr. 10‘000‘001.-- von Fr. 50‘000.--.

    4. Die räumliche und betriebliche Unterstellung der Beklagten unter den BRB AVE GAV FAR und damit die Anwendbarkeit des GAV FAR blieb vorliegend unbestritten (vgl. vorstehende E. 1). Gleiches gilt für die Anzahl der unter den persönliche Geltungsbereich fallenden Mitarbeiter (zwei Mitarbeiter; vgl. die Selbstdeklaration vom

      30. März 2015, act. G 1.5). Vorliegend ist zudem aktenkundig und wurde von der Beklagten denn auch ebenfalls nicht bestritten, dass sie sich nicht selbstständig bei

      der Klägerin angemeldet und entsprechend bis ins Jahr 2015 keine FAR-Beiträge entrichtet hat. Wie bereits dargelegt, kann die Beklagte hinsichtlich der diesbezüglich behaupteten telefonischen Falschauskunft seitens der Klägerin nichts zu ihren Gunsten ableiten (vgl. vorstehende E. 3.2.3). Mit der Klägerin (vgl. act. G 1 Ziff. 30) ist damit festzuhalten, dass die Beklagte überwiegend wahrscheinlich zumindest in grobfahrlässiger Weise ihre Anmelde- bzw. Unterstellungspflicht verletzt hat.

    5. Zu prüfen bleibt die Höhe der Konventionalstrafe. Für deren Bemessung zog die Klägerin die FAR-pflichtige Lohnsumme des Jahres 2014 in Höhe von Fr. 219‘679.50 als höchste Lohnsumme heran (act. G 1 Ziff. 23). Gestützt darauf und unter Anwendung von Ziff. 1.1.2 der Sanktionsrichtlinie (vgl. vorstehende E. 4.3) sprach sie eine Konventionalstrafe von Fr. 20‘000.-- aus. Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich, welche die Höhe der Konventionalstrafe als unangemessen erscheinen lassen. Die Bemessung der Strafe gemäss der Richtlinie über die Sanktionen und die Orientierung am höchsten FAR-pflichtigen Jahreslohn (vgl. act. G 15.1) erscheint mit Blick auf das Prinzip der Selbstdeklaration und die Höhe der der Stiftung FAR wegen der unterlassenen Anmeldung entgangenen Beitragszahlungen verhältnismässig.

    6. Die Auferlegung von Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 500.-- ist mit Blick auf Ziff. 9 der Richtlinie über die Sanktionen, laut welcher die Stiftung FAR pro Tatbestandsverletzung Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 500.-- erhebt (act. G 1.11), ebenfalls nicht zu beanstanden.

    7. Zusammenfassend ist die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Konventionalstrafe in Höhe von Fr. 20‘000.-- sowie Verfahrenskosten in Höhe von Fr. 500.-- zu bezahlen.

5.

    1. In Gutheissung der Klage ist die Beklagte gegenüber der Klägerin im Sinne der Erwägungen zu verpflichten, für die unter den personellen Anwendungsbereich des BRB AVE GAV FAR fallenden Mitarbeitenden fällig gewordene, noch offene Beiträge von Fr. 1'625.60 für Januar bis Dezember 2009 und von Fr. 5'423.10 für Januar bis Juni 2010 zu bezahlen. Zudem ist sie zu verpflichten, der Klägerin auf die zugesprochenen

      und anerkannten Beitragsforderungen einen Verzugszins von 5% zu bezahlen; konkret

      ab 1. Januar 2010 5% von Fr. 1‘625.60 für das Jahr 2009, ab 1. Januar 2011 5% von

      Fr. 9‘456.75 für das Jahr 2010, ab 1. Januar 2012 5% von Fr. 8‘733.98 für das Jahr

      2011, ab 1. Januar 2013 5% von Fr. 4‘596.80 für das Jahr 2012, ab 1. Januar 2014 5%

      von Fr. 2‘424.80 für das Jahr 2013 sowie ab 1. Januar 2015 5% von Fr. 10‘983.98 für das Jahr 2014. Die Beklagte ist zudem zu verpflichten, der Klägerin eine Konventionalstrafe von Fr. 20‘000.-- sowie Verfahrenskosten von Fr. 500.-- zu bezahlen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 73 Abs. 2 BVG).

    3. Die Klägerin hat als Vorsorgeeinrichtung praxisgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, soweit - wie vorliegend - die Prozessführung der Gegenpartei nicht als mutwillig leichtsinnig zu bezeichnen ist (BGE 128 V 323).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Von der Anerkennung der eingeklagten Forderung im Betrag von Fr. 30‘773.23 wird

Vormerk genommen und die Klage in diesem Umfang als erledigt abgeschrieben.

2.

Im Übrigen wird die Klage gutgeheissen und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für das Jahr 2009 FAR-Beiträge von Fr. 1'625.60 und für Januar bis Juni 2010 von Fr. 5'423.10 sowie Verzugszinsen von 5% auf folgende Beträge zu bezahlen:

- ab 1. Januar 2010 auf Fr. 1‘625.60

- ab 1. Januar 2011 auf Fr. 9‘456.75

- ab 1. Januar 2012 auf Fr. 8‘733.98

- ab 1. Januar 2013 auf Fr. 4‘596.80

- ab 1. Januar 2014 auf Fr. 2‘424.80

- ab 1. Januar 2015 auf Fr. 10‘983.98.

3.

Die Beklagte wird im Sinne der Erwägungen verpflichtet, der Klägerin eine Konventionalstrafe von Fr. 20‘000.-- sowie Verfahrenskosten von Fr. 500.-- zu bezahlen.

4.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

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Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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